DATEN sind das neue GOLD.
Aber ist auch alles Gold, was glänzt?

Wir brauchen keine Landkarte mehr, um von A nach B zu kommen. Unsere Bankgeschäfte erledigen wir vom Sofa aus. Unser TV ist manchmal smarter als wir selbst. Wo wir früher – vor gerade mal 40 Jahren, für die jüngere Generation also in der Steinzeit – ein Mikrofon vor das Radio gehalten haben, um endlich den Lieblingssong auf Kassette
aufnehmen zu können, stellt uns heute ein Algorithmus eine Playlist zusammen.


Autorin: Eike Birck

Daten sind im Grunde nur Nullen und Einsen. Medien fungieren als Schnittstellen, um die
Informationen für uns nutzbar zu machen. Den wenigsten von uns ist klar, welche Technik
dahintersteckt. Smartphone, PC, Tablet und Co sind unsere alltäglichen Begleiter geworden. Fest steht: Ohne Daten funktioniert in der modernen Welt gar nichts mehr. Und vielfach
machen sie unser Leben einfacher – bei der Arbeit und privat. Computer werden mit Zahlen gefüttert und stellen mit entsprechend programmierter Software komplizierte Berechnungen an, wofür ein Mensch samt Taschenrechner Jahrzehnte brauchen würde. Maschinen in der Produktion kommunizieren miteinander, sammeln Daten, werten sie aus und geben bei
Bedarf entsprechende Warnhinweise, wenn zum Beispiel Material nachgerüstet werden muss oder die gewünschte Qualität nicht passt. Das Internet of Things (Internet der Dinge) steht für diese Art der Vernetzung über das Netz.

Maschinen können lernen und eine KI hilft dabei, automatisiert, die ganze erzeugte Datenflut zu sortieren. Eine künstliche Intelligenz wie ChatGPT wird mit Daten trainiert und lernt mit jeder Suchanfrage dazu. Je nachdem, wie präzise der Mensch mit seiner Eingabe (Prompt) dem Bot sagt, was er möchte, so gut ist das Ergebnis. Wichtig dabei ist zu wissen, dass das, was ChatGPT ausspuckt, die wahrscheinlichste Lösung ist. Und die muss nicht unbedingt richtig sein. Bei einer Such- oder Textanfrage sollte der Bot tunlichst nicht mit sensiblen
Informationen oder gar Firmengeheimnissen gefüttert werden, denn was mit den Daten
geschieht, ist ungewiss.

Digitale Steinzeit.

Für Digital Natives ist sonnenklar, dass das alles so
funktioniert, wie es soll. Sie kennen keine andere als die digitale Welt. Sie haben nie erlebt, wie schlecht die ersten Navis waren und Autofahrende an den Rande eines
Hafenbeckens lotsten – oder darüber hinaus. Sie wissen nicht, dass noch Ende der 1990er-Jahre die Einrichtung eines PCs, der noch nicht einmal mit einem Netzwerk
verbunden war, sondern solitär von einer einzelnen
Person genutzt wurde, eine tagesfüllende Aufgabe war, wobei am Ende kaum einmal wirklich alles lief. Heute ist Plug & Play Standard. Der Anspruch: Alles muss sofort und zu jeder Zeit verfügbar sein. Bei der Historie ist es kein Wunder, dass manche Ältere der Medien- und Datennutzung vielfach skeptischer gegenüberstehen als
Jüngere.  Aber mal ehrlich: Im Alter von 20 Jahren habe ich mich auch nicht gefragt, was eigentlich im Inneren
eines Fernsehers passiert, wenn ich den On-Button drückte. Das Gerät tat, was es sollte – und das genügte mir. Allerdings hatte mein Klick keine potenziell
weitreichenden Konsequenzen.


 

Kommunikation ist alles.

Insbesondere im Bereich der Kommunikation haben
digitale Medien für einen rasanten Wandel gesorgt. Über das Internet kann potenziell jeder jeden erreichen. Diese Reichweite kann sowohl positiv als auch negativ sein. Im Falle einer Naturkatastrophe kann weltweit schnell Hilfe
organisiert werden, aber ebenso schnell verbreiten sich Fake News.

Eine große Gefahr bei unreflektierter Mediennutzung besteht darin, dass man sich nur noch in seiner eigenen Bubble bewegt. Denn die Algorithmen der häufig verwendeten Plattformen schlagen immer nur ähnlich gelagerte Themen vor. YouTube und Co haben ein Interesse daran, die Nutzenden so lange wie möglich auf der eigenen Seite zu halten, auf der Werbung zu sehen ist. Als User akzeptieren wir Seiten mit Reklame, um Dienste kostenfrei nutzen zu können. Beim Aufruf egal welcher Seite werden Cookies heruntergeladen. Und alles, was wir per Klick bestätigen oder eingeben, wird gespeichert und kann immer wieder abgerufen werden. Das Netz vergisst nie.

 



Egal ob Text, Videos, Bilder oder Sprachnachrichten. Die Politik bemüht sich, die Menschen zu schützen, hinkt aber bei der rasanten Entwicklung hinterher. Einen Vorstoß zur Begrenzung der Macht großer Unternehmen unternahm die Bundesregierung mit ihrer am 30. August 2023 beschlossenen neuen Datenstrategie als Leitbild der künftigen Datenpolitik. „Ein einfacherer Zugang zu Daten dient der Gerechtigkeit und der Inklusion. Aber vor allem sind aussagekräftige Daten Grundlage für gute und nachhaltige politische Entscheidungen“, so Innenministerin
Nancy Faeser.

Problematisch ist, dass der Umgang mit Daten auf der Welt höchst unterschiedlich ist. Die EU rühmt sich, mit ihrer
Datenschutzverordnung höchste Standards weltweit zu
setzen. Vielen geht die DSGVO allerdings viel zu weit und sie kritisieren den bürokratischen Mehraufwand. Trotzdem ist es sinnvoll, dass jedem EU-Bürger damit das Recht auf seine Daten zugesprochen wird. Dass er weiß, was mit
seinen Daten geschieht und wie sie wo gespeichert werden.

Es gibt keine unwichtigen Daten.

Gerade das Smartphone hat starken Einfluss auf unsere Gesellschaft. Während man früher für die Mediennutzung separate Geräte (z. B. Radio, Fernsehen, Schreibmaschine, Telefon) benötigte, sind jetzt zig Funktionen mit einem schokoladentafelgroßen Phone möglich, das die meisten Menschen jederzeit, an jedem Ort dabei haben. Und das übrigens – wenn die Funktion nicht ausgeschaltet wurde – permanent Daten über unseren Standort sammelt. Die ständige Erreichbarkeit und der Druck, regelmäßig etwas posten, liken, beantworten zu
müssen, artet bei manchen Menschen in regelrechten Stress aus. Schon vor Jahren kam der
Begriff „Digital Detox“ auf. Der bewusste Verzicht auf digitale Medien – oder das Handy
einfach mal auszuschalten – führt bei einigen Menschen zu einer zuweilen pathologischen Angst, etwas zu verpassen. Auch dafür gibt es bereits einen Namen:
FOMO (Fear of Missing Out).

War das Sammeln von Daten vor etlichen Jahrzehnten eher Sache des Militärs bzw. der
Geheimdienste, sind es heute vor allem die großen Online-Händler und
Social-Media-Plattformen, die sich als Datenkraken präsentieren. Datenpannen, wie zuletzt bei Facebook, sorgen immer wieder für einen Aufschrei – aber immer nur kurz. Die
Menschen füttern die Plattformen weiter mit Daten und geben zum Teil intimste
Informationen preis. Und nicht selten gehören gerade sie der Generation an, die in den 1980ern gegen die Volkszählung protestiert und zum Boykott aufgerufen haben. 1987 sollten unter anderem Informationen zu Staatsangehörigkeit, Wohnsitz und Arbeitsstätte angegeben werden. Infos, die heute mit einem Klick zum Beispiel bei LinkedIn zu finden sind – samt
beruflicher Vita, Foto und vielem mehr.

In der Literatur sind Daten schon lange ein Thema. Als Klassiker ist hier natürlich die
weltberühmte Dystopie „1984“ zu nennen. George Orwell beschreibt in dem 1949 veröffentlichten Roman den totalen Überwachungsstaat in beklemmender Weise. „Big Brother is watching you“ ist noch heute ein Synonym für die Kritik an staatlichen Überwachungsmaßnahmen. Der deutsche Autor Andreas Eschbach hat den Faden weitergesponnen und ist in seinem Roman „NSA“ der Frage nachgegangen: Was wäre gewesen, wenn die Nazis Computer bzw. digitale Daten gehabt hätten? Die Antwort ist verheerend und auch wieder sehr einfach: Es gibt keine unwichtigen
Daten. Eindrücklich schildert er, dass scheinbar harmlose Daten zu Lebensmitteln in letzter Konsequenz Rückschlüsse erlauben, wie viele Personen in einem Haushalt versorgt werden. Und was, wenn jemand einen von den Nazis verfolgten Menschen versteckt hat?

Auch die zweite deutsche Diktatur hat ihre Bürgerinnen und Bürger durch ein dicht gewebtes Netz an Informellen Mitarbeitern (IM) bis ins Letzte ausspioniert. Bis hin ins Schlafzimmer, wie DDR-Eislauf-Star Katarina Witt nach Einsicht in ihre Stasi-Akten in ihrer Biografie schrieb. Als „Reisekader“, die als Leistungssportlerin ins nichtsozialistische Ausland reisen durfte, stand sie unter besonderer Beobachtung. Nicht selten wurden IMs durch Erpressung „angeworben“. Die Stasi hat zur Unterdrückung der DDR-Bevölkerung eine unvorstellbare Flut an Daten produziert, wie nach der friedlichen Revolution im Herbst 1989 allmählich offenbar wurde und die heute im Stasi-Unterlagen-Archiv aufbewahrt und eingesehen werden können. Übrigens nicht nur von
Betroffenen und Forschenden, sondern auch Geheimdienste haben Anträge auf Akteneinsicht gestellt. Es handelt sich um ca. 111 Kilometer Akten, zu denen auch 41 Millionen Karteikarten, 1,96 Millionen Fotografien, 2.886 Filme und Videos sowie ca. 22.850 Tondokumente gehören.

Zwei Seiten der Medaille.

Stets ist es der Umgang mit Neuerungen, der darüber entscheidet, ob eine Erfindung Segen oder Fluch ist. Meist trifft beides zu. Datenpannen, Hackerangriffe, Hetze in den digitalen
Medien, eine wahnsinnsschnelle Verbreitung von Fake News und vieles mehr sind auf der dunklen Seite der Medaille zu finden. Nehmen wir zum Beispiel Drohnen. Als wendige und
fliegende Datensammler werden sie für ganz viele sinnvolle Zwecke eingesetzt. So können sie in Kriegsgebieten Minen aufspüren, in unwegsamem Gelände Menschen in Not orten oder Felswände vermessen, um Sicherheitsnetze zu montieren, die Menschen vor herabfallendem Geröll schützen. Alles positive Dinge. Kampfdrohnen hingegen werfen Sprengsätze ab und
töten damit Menschen.  

Bei dem, was alles möglich ist, wundert man sich hingegen, was alles noch nicht geht. Zum Beispiel online einen Personalausweis zu verlängern. Und noch immer werden Arztbriefe und Rezepte per Fax (!) versendet. Die Kommunikation zwischen Krankenhaus, Fach- und Hausarzt sowie etwaigen Pflegediensten holpert bestenfalls, im schlimmsten Fall findet sie gar nicht statt. Hier kommt meist der Hinweis auf den Datenschutz, aber diese Herausforderung haben andere EU-Länder schließlich auch. Und dort läuft’s.

Richtig ist: Nicht alles, was digitalisiert werden kann, sollte auch digitalisiert werden.
Datennutzung sollte unser Leben verbessern und vereinfachen, es aber nicht beherrschen.