Wissen, wo was geht.
Auf Geodaten bauen.

Auf der Grundlage von Geodaten erkennt er Zusammenhänge, kann den Baugrund beurteilen und so die sichere Herstellung von Bauwerken ermöglichen. „Früher hat man (fast) überall gebaut. Da galt eher das Prinzip ‚learning by doing‘“, sagt Dr. Lutz Müller mit einem Augenzwinkern. Unliebsame Überraschungen, wie Feuchtigkeit, Absackungen oder Setzungen an den Bauwerken traten häufig erst im Nachhinein auf.

Autorin: Corinna Bokermann



Theoretisch kann man auf jedem Boden bauen, aber ein Blick auf die Risiken, die sich durch die Bodenbeschaffenheit ergeben, beugt möglichen Schäden an Bauwerken vor. Egal, ob an Gebäuden, Brücken oder Straßen“, erklärt Lutz Müller, der 21 Jahre als Professor für Geotechnik und Geothermie an der Technischen Hochschule OWL am Standort Höxter lehrte und forschte. Er weiß, wo was geht. Denn entscheidend ist nicht nur, ob ein Boden tragfähig ist. Es geht auch darum, wie gut oder schlecht es um dessen Tragfähigkeit bestellt ist, wo das Grundwasser ansteht oder ob ein Baugrund durch Ablagerungen von Abfällen oder einer industriellen Nutzung vorbelastet ist. 

Ein Baugrund- und Gründungsgutachten, das schon in der frühen Phase der Planung erstellt werden sollte, klärt alle
relevanten Fragen zu den Baugrundverhältnissen und sorgt für Planungs- und Kostensicherheit. Abhängig davon sind nämlich Statik und Gründung. So bilden Baugrundgutachten für Statikerinnen und Statiker unter anderem die Basis, um das Maß der Fundamente und der Bodenplatte zu berechnen oder geben vor, ob eine Flach- oder eine Tiefgründung, zum Beispiel auf Pfählen, für ein Bauwerk notwendig ist. „Daher sammeln wir Geodaten mit Bohrungen und Bodenproben“, macht Lutz Müller deutlich, der sein Know-how seit 2000 auch in die Bockermann Fritze Unternehmensgruppe einbringt.

Sondierung liefert Daten.

Ob leichte Bohrsondierungen ein bis zu 10 Meter Tiefe oder schwere Rammsondierungen, die bis in 20 Meter Tiefe vordringen – welches Verfahren für die Erkundung des Untergrundes in Frage kommt, ist nicht zuletzt abhängig vom Baugrund und vom Bauwerk selbst. Schon der Eindringwiderstand der Sonde, die über einen Amboss in den
Boden getrieben wird, lässt  einen ersten Rückschluss auf die Tragfestigkeit des Untergrundes zu. „Bei der Planung eines Einfamilienhauses sind meist zwei Sondierungen üblich – jeweils auf den Gebäudeecken. „Sondierungen an unterschiedlichen Stellen beugen Fehleinschätzungen vor. Es gibt jedoch keine Regeln und Vorschriften über Art und Umfang der Untersuchungen“, so der geotechnische Sachverständige. Im Straßenbau tragen neben Bohrungen auch geologische Karten oder andere bereits bestehende Informationen  zu einer Einschätzung bei. „Dieses Datenraster dient der Planung und bildet die wichtigste Grundlage für die Art der Fundamentierung“, erläutert Lutz Müller.

Bodenphysikalische und 
-bodenmechanische Analysen.

Der mit dem Bohrwerkzeug entnommene Boden wird
zunächst vor Ort in Augenschein genommen und  nach
Bodenarten (Sand, Kies oder Schluff) und Festigkeit
klassifiziert. Im Labor finden anschließend bodenphysikalische und -mechanische Analysen statt. So lassen sich die Bodenkennwerte, beispielsweise die Korngrößenverteilung des Bodens und damit die Bodenart, detailliert bestimmen. Doch auch der Wassergehalt des Bodens, der maßgeblich die Bodenbeschaffenheit beeinflusst, wird im Rahmen
eines Baugrundgutachtens analysiert. Bei Schluffböden verändert sich die Konsistenz des Bodens durch den
Wassergehalt erheblich und variiert von fest bis hin zu breiig und flüssig. „Das heißt auch, dass Baumaßnahmen witterungsabhängig sind. Starker Regen verändert den Baugrund und kann zu einem weichen, nicht tragfähigen Boden führen“, weist Lutz Müller auf Zusammenhänge hin, die den Bauablauf wie auch die Bauausführung beeinflussen. Die Abnahme der Baugrube gehört für ihn daher zum Baugrundgutachten dazu.

Steif, halbfest oder fest – die erhobenen Daten zur Bodenkonsistenz führen schließlich dazu, dass Sohlwiderstände für die Bemessung des Bauwerks ermittelt werden können. „Das ist die Last, die der Boden in Kilo-Newton pro Quadratmeter (kN/m2) tragen kann“, unterstreicht der Baugrundgutachter. Für ein Einfamilienhaus braucht es 180 bis 200 kN/m2. Für Straßen sind die Werte ähnlich. Bei Brücken liegt dieser Wert zum Beispiel bei 400 oder
auch 1.000 kN/m2.

Daten zum Grundwasserstand.

Doch es braucht noch weitere  Geodaten, um Risiken beim Bauen zu vermeiden. „Neben Dichtemessungen, die in Karstgebieten wichtig sind, um unter anderem Hohlräume im Untergrund zu entdecken, wirkt sich auch der Grundwasserstand auf den Baugrund aus“, betont Lutz Müller. Der wird mittels eines Lichtlots erhoben und variiert je nach Jahreszeit. Liegt der Grundwasserstand unterhalb der Gründungssohle, verursacht er in der Regel keine Probleme. Ganz anders sieht die Situation aus, wenn das Grundwasser höher ansteht. Es sorgt für Auftrieb und verursacht statische Probleme. „Liegt das Bauwerk im Grundwasser bzw. in der wassergesättigten Bodenzone, riskiert man einen feuchten Keller“, erklärt Lutz Müller. „Eine entsprechende Planung, das heißt die Abdichtung des Kellers durch eine wasserdichte Wanne, schließt dieses Risiko aus.“ Außerdem kann  Grundwasser zu Lösungserscheinungen im Beton und zur Korrosion an Stützen und Bewehrungen aus Metall führen. Um möglichen Schäden vorzubeugen, werden die entnommenen Wasserproben daher auf ihre Beton- und Stahlaggressivität hin analysiert. „Der pH-Wert und der Kohlensäuregehalt sagen etwas darüber aus, wie kalkaggressiv das Grundwasser ist“, so Lutz Müller.

Doch nicht nur das Grundwasser, auch der Bodenaushub, der bei jeder Baumaßnahme anfällt, ist Gegenstand chemischer Analysen im Rahmen eines Baugrundgutachtens. Früher wurde der Boden nur bei einem konkreten Verdacht auf Belastungen geprüft. Nach dem heutigen Abfallgesetz muss jeder Bodenaushub untersucht werden, um ihn im Hinblick auf Verwertung und Entsorgung kategorisieren zu können. Das schreibt das Bundesbodenschutzgesetz vor. Zu den Parametern, die erhoben werden, zählen unter anderem - Kohlenwasserstoffe, Arsen, Schwermetalle wie Blei, Kupfer, Zink und Nickel. Neben Feststoffen wird zudem das Auslaugverhalten, das sogenannte Eluat, bestimmt.
 
„Mithilfe der erhobenen Geodaten erzeugen wir schließlich ein räumliches Baugrundmodell mit Längs- und Querprofilen“, erklärt Lutz Müller. Diese Profilschnitte erlauben gesicherte Erkenntnisse über den Baugrund, neben Aussagen zur Festigkeit wie zur Art der Fundamentierung auch zur Wasserhaltung während der Bauausführung und zur Sicherung der Baugrube. Wenn die Planung und damit auch die Gebäudelasten vorliegen, gilt es im nächsten Schritt, mit Stand- und Setzungsberechnungen die Gebrauchstauglichkeit des Bauwerks nach DIN 1054 nachzuweisen. „Das ist dann reine Datenverarbeitung aufgrund der eingegebenen Bodenkennwerte“, resümiert Lutz Müller.