Granum Aureum.
Datenbasiert bauen.

Der hohe Anspruch an Architektur und Komfort, aber auch Energieeffizienz und Nachhaltigkeit spiegelt sich in einem aktuellen Neubauprojekt von Bockermann Fritze DesignHaus. Mit Granum Aureum – was so viel bedeutet wie „goldenes Korn“ – soll die Zertifizierung nach den Anforderungen der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) in Gold erreicht werden. In die datenbasierte Bewertung fließen ökologische, ökonomische und soziokulturelle Gesichtspunkte gleichberechtigt ein. Im Sinne des ganzheitlichen Nachhaltigkeitsverständnisses betrachten die Projektleitenden den gesamten Lebenszyklus des Gebäudes. „Es gilt, gelernte Schritte unter neuen Aspekten weiterzudenken“, unterstreichen Architektin Lissa Müller und Dipl.-Ing. Matthias Heister mit Blick auf die Kriterien, die es zu berücksichtigen gilt.

Autorin: Corinna Bokermann

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Das DGNB-System ist der Global Benchmark for Sustainability. 2009 entwickelt, hat sich das System über die Jahre immer weiterentwickelt. Allerdings wurden bislang nur 95 Wohngebäude in Deutschland für besondere Nachhaltigkeit ausgezeichnet. Als erstes Wohngebäude im Kreis Herford und in Bielefeld soll die Wohnanlage Granum Aureum den hohen Standard für die Zertifizierung in Gold erfüllen. Die zweitbeste von vier möglichen Stufen (Bronze, Silber, Gold, Platin), die die Nachhaltigkeit eines Wohngebäudes beschreiben. „Nachhaltiges Bauen zielt darauf ab, eine hohe ökologische Qualität durch angemessene, möglichst ressourcenschonende Bauweisen sicherzustellen“, betonen die beiden Projektverantwortlichen. Im Blick haben sie neben der langen Nutzungsdauer den hohen Energie- und Ressourcenverbrauch, den der Bau eines Gebäudes verursacht.

Die DGNB gibt Parameter vor.

Im Herbst 2021 begannen die Planungen für die zukunftsweisende Wohnanlage Granum
Aureum. Die Fertigstellung ist für Ende 2024 geplant. „Die DGNB gibt die Parameter vor“, sagt Matthias Heister, der eine Fortbildung zum DGNB-Consultant absolviert hat und die
Zertifizierung in Zusammenarbeit mit einem externen Büro für die Auditierung begleitet, das die Zertifizierung beantragt. Insgesamt gibt es 29 Bewertungskriterien – von der Anbindung
an öffentliche Bereiche bis hin zu einer möglichen Umnutzung –, die zu beachten sind. „Das war für uns komplettes Neuland. Das Granum Aureum ist unser erstes Projekt, um ein nach Nachhaltigkeitsaspekten zertifiziertes Gebäude zu errichten“, fügt Lissa Müller hinzu.

Nach der Fertigstellung verfügt der dreigeschossige Baukörper mit Flachdach über 13 Wohneinheiten, ausgestattet mit Balkon bzw. Terrasse oder Dachterrasse.
Jeweils fünf Eigentumswohnungen zwischen 64 und 95 Quadratmeter Größe befinden sich in den beiden Vollgeschossen. Im Staffelgeschoss sind drei weitere – zwischen 75 und 101 Quadratmeter groß – geplant, inklusive zweier Dachgärten. Ein Aufzug, der das Wohngebäude barrierefrei zugänglich macht, entspricht ebenfalls den durch die DGNB geforderten Ansprüchen. „Und mit den unterschiedlichen Wohnungsgrößen sprechen wir Singles, Paare unterschiedlichen Alters, aber auch Familien an“, sagt die Architektin. 

Drei Säulen – Ökologie, Ökonomie, Soziales. 

Um nachhaltiges Bauen praktisch anwendbar, messbar und damit vergleichbar zu machen, erhebt Bockermann Fritze penibel die technischen Daten, dokumentiert die prozessualen Qualitäten und bewertet den Standort. „Die drei Säulen Ökologie, Ökonomie und Soziales werden zu je 25 Prozent berücksichtigt. Die Technik fließt mit 10 Prozent ein. 65 Prozent braucht man, um nach dem Gold-Standard zertifiziert zu werden“, bringt Matthias Heister stichpunktartig einige Parameter auf den Punkt, die für die Zertifizierung in Gold entscheidend sind.
„Auch gebäudebezogene Kosten werden, auf die Lebensdauer gerechnet, berücksichtigt. Da fließen unter anderem Technik, Standort und der Betrieb des Gebäudes ein.“

Daten für die CO2-Bewertung.

Entscheidende Bausteine sind im wahrsten Sinne des Wortes aber vor allem die eingesetzten Baustoffe. Der Baustoffanteil macht 30 bis 35 Prozent, also ein gutes Drittel, bei den Treibhausgasemissionen im Gebäudezyklus aus. „Alle Materialien, die wir einsetzen, entsprechen den DGNB-Richtlinien und werden – auch für die Dokumentation – fotografiert. Das ist ein großer Aufwand“, unterstreicht Matthias Heister. Um ungewollte Inhaltsstoffe in Baustoffen, wie zum Beispiel Formaldehyd, auszuschließen, braucht es zudem fundiertes Material-Know-how. „Jeder Baustoff wird einzeln freigegeben, denn die technischen Anforderungen müssen bei Angebotsabgabe enthalten sein. Das ist für alle beteiligten Gewerke viel Arbeit“, weiß Lissa Müller. „Das heißt, bevor ein Baustoff überhaupt zum Einsatz kommt, muss er überprüft werden. Die Auseinandersetzung mit Baustoffen geht jetzt also wesentlich tiefer“, resümiert Matthias Heister.

Datenblätter für einzusetzende Baustoffe hält die Online-Plattform ÖKOBAUDAT parat. Jeder Hersteller kann hier die Ökobilanz-Datensätze zu Baumaterialien, Bau-, Transport-, Energie- und Entsorgungsprozessen seiner Produkte hinterlegen. Hier stellt das Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (BMWSB) allen Akteuren eine standardisierte Datenbasis für die Ökobilanzierung von Bauwerken zur Verfügung. „Da ist die Industrie schon relativ weit. Wir nutzen die Daten, die für die Werkstoffe aus der ÖKÖBAUDAT vorliegen, für unseren
CO2-Nachweis“, erklärt Matthias Heister. Mit Blick auf den Rückbau kommt zum Beispiel kein verklebtes, sondern ein verklicktes Laminat zum Einsatz. Negative Effekte auf die Umwelt und Gesundheit der Bewohnerinnen und Bewohner so gering wie möglich zu halten und diese zu schützen, genießt Priorität. Das fängt bei der Auswahl des Grundstücks an, reicht über die
Architektur, die Energie-, Wasser- und Materialeffizienz, die Instandhaltung bis zum ressourceneffizienten Betrieb und letztendlich auch dem Rückbau nach einer Nutzungszeit von 50, 100 oder auch 150 Jahren. „Bei den Berechnungen berücksichtigen wir auch Austauschzyklen in der Gebäudelebensdauer von 50 Jahren“, sagt Lissa Müller. „Im Gegensatz zu einer Fliese hält ein
Teppich zum Beispiel nicht über einen Zeitraum von 50 Jahren; 

"Nachhaltiges Bauen zielt darauf ab, eine hohe ökologische Qualität durch angemessene, möglichst ressourcenschonende Bauweisen sicherzustellen."
 

- Lissa Müller und Matthias Heister 
Architektin bzw. Dipl.-Ing. bei Bockermann Fritze

er muss eher erneuert werden.“ Auch eine schlechte Recyclingfähigkeit der Baustoffe wirkt sich negativ auf das Zertifikat aus. „So wenig Verbundbaustoffe wie möglich einzusetzen, ist das Ziel“, formuliert Matthias Heister den Anspruch an die neue Wohnanlage. „Mauerwerksbauten sind an sich schon relativ ‚natürlich‘, da wenig chemiebelastete Produkte in dem Bereich verbaut werden“, sagt Lissa Müller. Während das Staffelgeschoss mit WDVS-Fassade geplant wurde, kommen im Erd- und Obergeschoss Klinker zum Einsatz. Die Innenschale der Außenwände sind Ziegelwände und im Innenbereich ist es Kalksandstein. 

Saubere Energie
Technologien wie eine saubere Energiegewinnung – dazu zählt zum Beispiel die Photovoltaikanlage auf dem Gründachzahlen ebenfalls auf das Thema „Nachhaltigkeit“ ein. Die große
Photovoltaikanlage speist nicht nur die Heizungsanlage im Granum Aureum, sie soll auch für Strom in den Wohnungen genutzt werden. Ein Batteriespeicher komplettiert die PV-Anlage.
Zur technischen Ausstattung der Heizungsanlage zählt eine Luft-Wasser-Wärmepumpe in Verbindung mit der Fußbodenheizung. „So minimieren wir Verluste“, erklärt Lissa Müller, die die
Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung dezentral für jede Wohneinheit geplant hat. Die Lüftungsanlage ist in Verbindung mit den Verschattungselementen konzipiert.

Zu den Bewertungskriterien für die DGNB-Zertifizierung gehören aber auch die Außenanlagen mit den zum Haus gehörigen Stellplätzen – je Wohnung ein Kfz-Stellplatz. Sie werden mit einem Rasengitterstein gepflastert, um eine volle Versiegelung zu vermeiden. E-Ladesäulen und Bike-Port ergänzen die Ausstattung. Wie detailliert und weitreichend der Leitfaden für die
Zertifizierung ist, wird an unterschiedlichen Stellen immer wieder deutlich. So spielt neben der Anbindung an den ÖPNV zum Beispiel auch der Einsatz der künftigen Putzmittel eine Rolle.
„Der Aufwand ist erheblich“, macht Lissa Müller deutlich. „Aber mit diesem Bauprojekt wird grundsätzlich Know-how aufgebaut, das bei darauffolgenden Projekten genutzt werden kann.
Der Aufwand ist nicht mehr so hoch wie bei diesem ersten Projekt nach DGNB-Richtlinien.“ „Wir stellen das erste Wohngebäude in der Region fertig, das nach DGNB-Maßgaben gebaut wurde. Bislang werden eher gewerblich genutzte Gebäude nach diesem Standard errichtet. Darüber hinaus gibt es bei sich wiederholenden Gebäuden wie Einfamilienhäusern die Möglichkeit der
Serienzertifizierung, um den Aufwand zu minimieren“, erläutert Matthias Heister.