Grundlagen schaffen.
Alles andere als oberflächlich.

Manchmal ist die Vermessungsarbeit ein kleines Abenteuer. In unwegsamem Gelände, an mit Brennnesseln und kratzigen Brombeeren berankten Böschungen, ein Gewässerprofil aufzunehmen, erfordert eine gute körperliche Konstitution. Höchste Konzentration ist bei Vermessungsarbeiten im Umspannwerk lebensnotwendig. Für das Finden frei verfügbarer Geodaten im Internet werden dagegen mitunter detektivische Fähigkeiten benötigt.

Autorin: Eike Birck

Und Geschicklichkeit ist gefragt, wenn die Messdaten aus der Luft erhoben werden, denn zu den neuesten Methoden gehört die Drohnenvermessung. „Ich lasse die Drohne in einem bestimmten Raster über das zu erfassende Gebiet fliegen“, berichtet Sandra Kopittke, seit November 2019 als Vermessungstechnikerin bei Bockermann Fritze IngenieurConsult tätig. „Dabei werden Fotos aufgezeichnet, die sich stark überlappen. Mit speziellen fotogrammetrischen Auswerteverfahren werden diese Fotos zusammengefügt und weiterverarbeitet. Die so erzeugten Punktwolken und Geländemodelle, ergänzt durch tagesaktuelle georeferenzierte Luftbilder, bilden die Grundlage für Planungen zu Bauvorhaben.“ Dazu hat die Vermessungstechnikerin eigens einen Drohnenführerschein gemacht. „Eigentlich fliegt die Drohne von allein. Ich freue mich immer über kräftigen Wind“, lacht sie. „Denn dann darf ich das Fluggerät manuell auf dem Koffer landen. Eine Affinität zu Computerspielen ist im Umgang mit Drohnen ganz hilfreich.“ Ein Drohnenflug ist mit Aufwand verbunden. „Dazu müssen behördliche Genehmigungen und bei Bedarf auch die Einwilligung von Anwohnenden eingeholt werden“, so Antje Paneff, Diplomingenieurin für Geodäsie bei BFI, die auch selbst den Führerschein für das Fluggerät besitzt. „Außerdem müssen regelmäßig Schulungen absolviert werden.“ 

Und es gibt immer wieder Projekte, die das BF-Team vor besondere Herausforderungen stellen. „So wird uns die Vermessung einer 30 Meter hohen Natursteilwand in Büren wohl immer in Erinnerung bleiben, weil sich an ihrem Fuß Wohnhäuser befinden, die zum Teil direkt in den Fels gebaut wurden. Außerdem waren wegen der Nähe zum Flughafen Paderborn-Lippstadt
besondere behördliche Genehmigungen für den Drohnenflug erforderlich“, so Antje Paneff. Herabfallende Gesteinsbrocken stellten eine Gefahr für die Bewohnerinnen und Bewohner dar, sodass eine Hangsicherung notwendig geworden war. Die Kolleginnen und Kollegen aus dem Geschäftsbereich Konstruktiver Ingenieurbau mussten planen, welche Form das Netz haben musste und wo Verankerungen zur Befestigung platziert werden konnten.


 
 

Digital unterwegs.

Die Vorgehensweise bei Vermessungen ergibt sich aus den Anforderungen der Planenden sowie den örtlichen Gegebenheiten. Soll beispielsweise neben einer Straße ein neuer Radweg gebaut werden, müssen Straßenränder, bauliche Objekte wie Abdeckplatten für Absperrschieber von Wasserleitungen oder Straßenschilder, Begleitflächen, aber auch Bäume erfasst werden. Hierbei kommt in der Regel ein Tachymeter zum Einsatz. „Meist steht es auf einem dreibeinigen Stativ und wird am Straßenrand nicht selten für einen Blitzer gehalten. 

Das ist ganz praktisch, weil dann die Leute vom Gas gehen und nicht mehr so schnell an mir vorbeirasen“, erklärt die Vermessungstechnikerin. Waren früher mindestens zwei Techniker bei Arbeiten mit dieser Methode befasst, haben die modernen Tachymeter eine automatische Zielerfassung bzw. Zielverfolgung. Das nennt sich Robotic-Totalstation. Es werden immer Winkel, sowohl horizontal als auch vertikal, und die Strecke zum Zielpunkt ermittelt. Die Daten werden automatisch gespeichert und ausgewertet. „Es ist eine Messmethode mit sehr hoher Genauigkeit im Millimeterbereich“, sagt Antje Paneff. Nicht immer ist eine solche Genauigkeit erforderlich. Deshalb gehört zur weiteren Ausstattung heute meistens ein GPS-Empfänger. Dieser bekommt vom Satellitenpositionierungsdienst Korrekturdaten, um die Lage auf wenige Zentimeter genau bestimmen zu können. „Wir vermessen nicht so genau wie möglich, sondern so genau wie nötig“, bringt es Sandra Kopittke auf den Punkt. Zusammen mit Tobias Müller bildet sie das Außendienstteam. Meist sind die beiden Techniker jedoch allein unterwegs. Im vergangenen Jahr war Sandra Kopittke in ganz Deutschland im Einsatz – vom südlichsten Bayern bis zur Nordsee. An manchen Tagen legt sie bei ihrer Arbeit zehn Kilometer zu Fuß zurück. 

Der Blick fürs Wesentliche. 

Ein gründlicher Blick auf die Topografie gehört zum Job. „Wir müssen alles berücksichtigen, was die Planenden brauchen könnten. So reicht es zum Beispiel für ein digitales Geländemodell nicht, wenn ich bei einer Treppe die Stufen zähle, sondern ich muss jede einzelne Tritthöhe messen.“ Das gilt nicht nur für menschengemachte Gegebenheiten, sondern auch für natürliche. „Die Kolleginnen und Kollegen müssen nicht nur wissen, wie viele Bäume wo stehen, sondern auch, um welche Arten es sich handelt“, betont Antje Paneff. „Denn wenn es sich beispielsweise um geschützte Bäume handelt, dürfen die für ein Bauprojekt nicht einfach gefällt werden.“ Sandra Kopittke kann mittlerweile jeden Baum bestimmen. Und die Vermessungstechnikerin entdeckt bei ihrer Arbeit, die manchmal im sprichwörtlichen Nirgendwo stattfindet, oft etwas Besonderes, wie zum Beispiel einen seltenen Eisvogel. „Mir gefällt die Kombination aus Außen- und Innendienst sehr gut. Wenn ich am Stück zwölf Kanalschächte eingemessen habe, schmerzen die Hände schon etwas und dann bin ich froh, wenn ich am nächsten Tag mal am Schreibtisch sitze.“ 

Neben Vermessungen für eigene Planungen samt Visualisierung bietet Bockermann Fritze IngenieurConsult die Dienstleistung auch für Kunden an und führt zum Beispiel deren Kanaldatenbanken fort. „Früher gab es analoge Pläne mit durchnummerierten Schächten“, erinnert sich Susann Wedemeyer, Akademische Geoinformatikerin. „Heute ist das alles digital hinterlegt. Die Lage, die Höhen von Schachtdeckel und -sohle, ob weitere Zuläufe in den Kanal münden, Eigentumsverhältnisse, Schutzzonen und viele weitere Informationen.“ Diese sind Grundlage für weitere Untersuchungen anderer Fachfirmen wie Inspektions- und Sanierungsfirmen. Um zum Beispiel den Zustand der Kanalisation einzuschätzen, befahren diese die Haltungen, Anschlussleitungen, Schächte und Bauwerke mit einer Kamera. Die so gewonnenen Daten und Bilder werden wiederum von den Kolleginnen und Kollegen im Innendienst in die Kanaldatenbank eingepflegt und sind die Grundlage für etwaig anstehende Sanierungsplanungen der Städte und Gemeinden. „Anhand der Daten lassen sich zudem monetäre Werte ableiten. Das ist wichtig, damit Kommunen wissen, welche Kosten auf sie zukommen“, erklärt Susann Wedemeyer.

Straßenbestands- sowie Straßenzustandserfassung gehört ebenfalls zu den Aufgaben des Teams rund um die Geodaten. „Hier laufen die Prozesse ähnlich ab, nur dass die Daten nicht vom Vermessungsteam, sondern von den Straßenbautechnikerinnen und -techniker aus dem Geschäftsbereich Stadt, Straße und Verkehr erfasst werden. Anstelle der hochgenauen Lage und Höhe stehen bei den Straßen ihr baulicher Zustand und die Erhaltung eines möglichst guten Zustandes im Vordergrund“, so Diplom-Geografin Petra Scharf. Mit einer eigenen Straßendatenbank unterstützt Bockermann Fritze IngenieurConsult viele Kommunen bei der Verwaltung ihrer Straßendaten und der Planung von Sanierungsvorhaben. 

Offene Geodaten.

Unter Geodaten versteht man prinzipiell jede Art von digitalen Daten, die mit einer räumlichen Lage verbunden sind. Zum Beispiel beruht jede Anzeigetafel für freie Parkplätze auf Geodaten. Die Planenden bei Bockermann Fritze IngenieurConsult verwenden sowohl die aus Vermessungen ermittelten Daten als auch die im Internet frei verfügbaren Geodaten. Welche Daten in welchem Umfang bereitgestellt werden, variiert von Bundesland zu Bundesland. In Nordrhein-Westfalen können zum Beispiel über den Geodatenserver Geobasisdaten, Luftbilder und Höhenmodelle kostenfrei bezogen werden.

Das Thema „Entwässerung“ ist in den vergangenen Jahren zunehmend in den Fokus gerückt. „Hier nutzen unsere Kolleginnen und Kollegen aus dem Bereich Wasser und Umwelt vor allem frei verfügbare Geodaten wie digitale Gelände- oder Oberflächenmodelle – DGM oder DOM – sowie topografische Vermessungen für Entwässerungskonzepte und Analysen für das Starkregenrisikomanagement. Dafür werden die Fließwege des Regenwassers auf befestigten und unbefestigten Flächen modelliert und die Gefahr für Überflutungen eingeschätzt. Anschließend werden Maßnahmen für die Minimierung der Risiken erarbeitet“, beschreibt Petra Scharf das Prozedere. „Volumenberechnungen von Regenwasserrückhaltebecken basieren auch auf DGMs, die entweder in unserem Hause aus den Geländeaufnahmen erzeugt werden oder aus verfügbaren DGMs.“

Aktuell werden neue Auswertungsverfahren getestet. „Aus Luftbildern können wir automatisiert unter Nutzung von Tools zur Massenverarbeitung von Grafikdaten Oberflächen klassifizieren. Mit dieser Methode der Rasterbildauswertung werden bestimmte Muster erkannt. Diese stehen für Bereiche mit gleichen Eigenschaften, sodass wir einordnen können, ob Flächen befestigt oder unbefestigt sind“, unterstreicht die Diplom-Geografin die Vorteile des Verfahrens.

Vertrauen ist gut ...

Das BF-Team in Sachen Vermessungstechnik sammelt übrigens nicht „nur“ im Vorfeld eines Bauvorhabens jede Menge Daten. Bei Bedarf werden die hauseigenen Vermessungstechnikerinnen und -techniker hinzugezogen, um Bauwerksachsen abzustecken. Laienhaft ausgedrückt setzen sie die ersten Punkte, damit das Bauunternehmen auf einer grünen Wiese weiß, wohin beispielsweise ein Brückenfundament gesetzt werden muss. Im Baufortschritt kann es nötig sein, noch mal zu messen, ob der Bauplan ordnungsgemäß umgesetzt wurde. Wenn man beispielsweise an Brückenbauprojekte denkt, bei denen an zwei Enden gleichzeitig gebaut wird und sich beide Teile schließlich in der Mitte treffen sollen, sind passgenaue Daten unerlässlich. Und auch zur Bauabnahme am Ende eines Projekts prüfen die hauseigenen Vermessungstechnikerinnen und -techniker, ob alles am richtigen Ort steht. 

Egal ob Straße, Kanal, Gewässer, grüne Wiese oder andere Projektvorhaben – das Team Geodaten vermisst oder beschafft die benötigten Daten für nahezu alle Anwendungsfälle und das alles andere als oberflächlich, sondern hochpräzise.

Team Geodatenmanagement:
Sandra Kopittke,Antje Paneff,Tobias Müller,
Petra Scharf,Susann Wedemeyer
(v. l.)